1. Juni 2016

ARTMUC || Professionalisierung und Vernetzung lokaler und überregionaler Künstler

Hintergründe der Münchner Messe zur zeitgenössischen Kunst ARTMUC

Warum ist es für Künstler so schwer, Öffentlichkeit herzustellen? Werden die vor Ort arbeitenden, aufstrebenden Künstler überhaupt wahrgenommen? Wo früher die Verbindung der Galerien zu „ihren“ Künstlern praktisch lebenslang bestand, gibt es heute immer wieder Brüche und Umbrüche. Eine Galerie kann in der Regel nicht mehr garantieren, ihre Künstler dauerhaft auf dem Kunstmarkt zu halten. Mehr und mehr sind die Künstler darauf angewiesen, ihre eigenen Netzwerke zu schaffen und zu stabilisieren. Gleichzeitig ist die stetige Steigerung der künstlerischen Qualität bei gleichzeitiger Professionalität unerlässlich.

Die Anfänge der ARTMUC


Spannende, bisher weitgehend unbeachtete, lokale und überregionale Kunst aus ihrem Schattendasein zu holen und für eine breite Öffentlichkeit und Vernetzung zu sorgen, war von Anfang an das besondere Anliegen der ARTMUC. Dabei startete sie 2011 unter dem Namen YMC (Young Munich Creatives) als Crowd-Projekt, bei dem sich eine Menge Interessierter zusammenschlossen, um alle Mittel und Ressourcen zu bündeln.

Dieter Hess | Marienplatz | 90x70cm | Acryl auf Leinwand | 2011
Dieter Hess | Marienplatz | 90x70cm | Acryl auf Leinwand | 2011

Im Jahr 2013 folgte eine große Gruppenausstellung mit dem Namen „OBACHT!“, bis schließlich 2014 die ARTMUC in der ersten Ausgabe schon 5.000 Besucher verzeichnen konnte. Raiko Schwalbe, der bereits seit 2009 mit seinem Bruder Marco Schwalbe die STROKE ART FAIR regelmäßig in Berlin und München ausrichtet – eine Galeristen-Messe für Urban Art, digitale Kunst und Design jenseits des Mainstreams – gründete die ARTMUC als Produzentenmesse für zeitgenössische Kunst. Mit dem neuen Format sollte professionellen Einzelkünstlern eine Plattform zur Präsentation ihrer Arbeiten auch ohne
Galerievertretung geschaffen werden. Dort kann nun eine Vielzahl aktueller Strömungen zeitgenössischer Kunst, wie Malerei, Illustration, Fotografie, Skulptur oder Installations- und Videokunst von einer breiten Öffentlichkeit und potentiellen Käufern wahrgenommen werden.

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Stefan Bircheneder | Grenzgelb 5 Öl auf Leinwand | 165x95 cm | 2013

Brücke zwischen Kunstmarkt und Künstlerförderung

 „Wir wissen, dass gerade sehr junge Künstler, die am Anfang ihrer Karriere bzw. ihrer Laufbahn stehen, kaum über finanzielle Mittel verfügen. Diese Künstler sollen eine reale Chance bekommen”, sagt Raiko Schwalbe. „Es geht eben nicht nur ums Verkaufen, sondern auch darum, persönliche Beziehungen zu Künstlern und Käufern zu pflegen, Netzwerke zu bilden und junge Künstler mit älteren in den Erfahrungsaustausch zu bringen.”
So unterscheidet sich die ARTMUC ganz besonders in diesem Punkt von den „klassischen“ Kunstmessen, denn es steht nicht der Verkauf von Werken im Vordergrund, sondern ein Austausch der Künstler untereinander, das Lernen von Skills zur Eigenvermarktung und das Vernetzen mit relevanten Personen aus der Kunstszene, wie mit Kuratoren, Galeristen, Plattformbetreibern, Kunsthändlern etc. Zwar ist der Verkauf der Kunstwerke für die Teilnehmer ein elementarer Aspekt der Messe, für den Veranstalter ist er jedoch nachgelagert. Zudem versucht die ARTMUC ein Gegengewicht zu den großen Kunstmärkten mit ihren Höchstpreisen zu schaffen.
Sie möchte den Künstlern auch die Chance auf relevante Kontakte für ein „danach“ bieten und es hat sich bisher gezeigt, dass dieser Ansatz aufgeht. Obwohl bei der zweiten Ausgabe der ARTMUC 2015 bereits Kunstwerke in einem insgesamt sechsstelligen Betrag verkauft worden sind, ist es mindestens ebenso erfreulich, wenn sich im Nachhinein Künstler und Teilnehmer melden, um ihre neuen Erfolge mitzuteilen: Es ergaben sich für die Künstler Möglichkeiten der Publikation und Viele fanden über die ARTMUC ihren Weg zu Galerien in ganz Deutschland. Außerdem konnten einige Teilnehmer daraufhin ihre Werke auf der ART Karlsruhe, der ART Fair in Köln oder der Affordable Art Fair in Hamburg präsentieren.
Auch über Plattformen, wie die Berufsverbände oder das Kulturreferat, ergaben sich für manche der ausstellenden Künstler Folgeprojekte. So kann eine Veranstaltung wie die ARTMUC tatsächlich auch als Gelenk oder Brücke zwischen dem Kunstmarkt und der Kunstförderung dienen.

Erwin Geiss | Stripes | Inkjetprint | 100x60 | 2013
Erwin Geiss | Stripes | Inkjetprint | 100x60 | 2013


Auswahlverfahren und Findungsprozess aus der Sicht einer Jurorin

Spannend ist auch das Verfahren, nach denen die vielen Bewerbungen gesichtet und ausgewählt werden. Wie schafft man es, innerhalb einer relativ kurzen Zeitspanne über 500 Künstlerinnen und Künstler zu bewerten? Aufschluss gibt das Gespräch mit einer der Jurorinnen, die das Verfahren von Anfang an begleitet und mitgestaltet hat: Dörthe Bäumer ist selbst Bildende Künstlerin und Mitgründerin des ARTMUC-Magazins, das sie aus dem dringenden Wunsch nach mehr Öffentlichkeit für die Kunst mit ins Leben gerufen hat. Als „betroffene“ Künstlerin ist sie stets auf der Suche nach geeigneten Möglichkeiten der
Vernetzung.
Auf die Frage nach dem allerwichtigsten Kriterium für eine Akzeptanz – abgesehen von der hohen Qualität der künstlerischen Position – meinte Dörthe Bäumer, dass dies der Auftritt im Netz sei. Eine aussagefähige, professionelle Homepage zeige in der Regel die Ernsthaftigkeit der Bewerber. Dabei sei keineswegs das Alter oder eine Ausbildung in der Akademie entscheidend, sondern der Schaffensprozess, also die Informationen zum Werdegang, zu bisherigen Stipendien, Preisen, Ausstellungen und Messebeteiligungen.
Interessierte Künstler bewerben sich mit bis zu 5 Kunstwerken, die im Fall eines Zuschlags dann auch verbindlich auf der Messe gezeigt werden müssen. Fünf Jurymitglieder prüfen die Profile und die eingereichten Arbeiten und wählen aus. Sie vergeben Punkte, wobei das Verfahren anonym bleibt. Abschließend wird in einer gemeinsamen Diskussion über strittige Fälle entschieden. Die Kommission setzt sich aus Vertretern verschiedener Sparten zusammen: aus dem Bereich Verlagswesen, Plattformanbieter, Galeristen und Initiatoren der Kunstfördervereine PIN und dem Haus der Kunst. Dabei werden jedes Jahr bis zu drei Jurystellen neu besetzt.

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Druck | Guido Zimmermann | Der Affe mit dem Goldhelm | Öl, Akryl, Sprühfarbe |100x70 |2014



Location und Planungen

Ausgehend von den Erfahrungen mit diversen anderen Kunstevents hat sich Raiko Schwalbe bewusst für die Praterinsel entschieden. Mit ihrer zentralen Lage mitten in München, direkt an der Isar, bietet diese historische Location einen zusätzlichen Erkundungsgenuss, den andere Kunstmessen in großen, oft sterilen Hallen nicht bieten können. Die Architektur der ehemaligen Weinbrennerei und Likörfabrik mit verschiedenen, vielfältigen Ebenen, den Innenhöfen sowie dem ehemaligen Atelierhaus ist in München einmalig und garantiert Entdeckungs-Charakter. Aktuell ist geplant, die Messe in zwei bis drei andere deutsche Städte zu „exportieren“, um dort das Potential an guten Künstlern mit qualitativ hochwertigen Arbeiten zu unterstützen. Der Start ist für 2017 vorgesehen.

ARTMUC 2016


Bei der dritten Auflage der Messe vom 2. bis 5. Juni 2016 auf der Praterinsel werden rund 100, größtenteils unbekannte Künstler aus der lokalen und internationalen Szene ihre Werke vorstellen und dabei selbst vor Ort sein.

Öffnungszeiten

Donnerstag 2.6.2016 18-22 Uhr
Freitag 3.6.2016 12-20 Uhr
Samstag 4.6.2016 12-20 Uhr
Sonntag 5.6.2016 12-18 Uhr

Anfahrt / Eintritt

Praterinsel 3 – 4, 80538 München / Eingang über den Praterstrand
S-Bahn / Haltestelle Isartor
Tram 18 + 19 / Haltestelle Maxmonument
Tagesticket 12 EUR
Studenten 10 EUR

Weitere Infos unter: www.artmuc.info

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